G.E. Lessing - Emilia Galotti (N), Niemiecki

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Gotthold Ephraim Lessing
Emilia Galotti
Quelle:
Erstellt am 29.06.2004
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Personen:
Emilia Galotti; Odoardo und Claudia Galotti, Eltern der Emilia; Hettore Gonzaga, Prinz von
Guastalla; Marinelli, Kammerherr des Prinzen; Camillo Rota, einer von des Prinzen Räten; Conti,
Maler; Graf Appiani; Gräfin Orsina; Angelo und einige Bediente
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Erster Aufzug
Erster Auftritt
Die Szene: ein Kabinett des Prinzen.
Der Prinz (an einem Arbeitstische voller Briefschaften und Papiere, deren einige er durchläuft).
Klagen, nichts als Klagen! Bittschriften, nichts als Bittschriften!--Die traurigen Geschäfte; und man
beneidet uns noch!--Das glaub ich; wenn wir allen helfen könnten: dann wären wir zu beneiden.--
Emilia? (Indem er noch eine von den Bittschriften aufschlägt und nach dem unterschriebenen
Namen sieht.) Eine Emilia?--Aber eine Emilia Bruneschi--nicht Galotti. Nicht Emilia Galotti!--Was
will sie, diese Emilia Bruneschi? (Er lieset.) Viel gefodert, sehr viel.--Doch sie heißt Emilia. Gewährt!
(Er unterschreibt und klingelt, worauf ein Kammerdiener hereintritt.) Es ist wohl noch keiner von
den Räten in dem Vorzimmer?
Der Kammerdiener. Nein.
Der Prinz. Ich habe zu früh Tag gemacht.--Der Morgen ist so schön. Ich will ausfahren. Marchese
Marinelli soll mich begleiten. Laßt ihn rufen. (Der Kammerdiener geht ab.)--Ich kann doch nicht
mehr arbeiten. --Ich war so ruhig, bild ich mir ein, so ruhig--Auf einmal muß eine arme Bruneschi
Emilia heißen:--weg ist meine Ruhe, und alles!--Der Kammerdiener (welcher wieder hereintritt).
Nach dem Marchese ist geschickt. Und hier, ein Brief von der Gräfin Orsina.
Der Prinz. Der Orsina? Legt ihn hin.
Der Kammerdiener. Ihr Läufer wartet.
Der Prinz. Ich will die Antwort senden; wenn es einer bedarf.--Wo ist sie? In der Stadt? oder auf
ihrer Villa?
Der Kammerdiener. Sie ist gestern in die Stadt gekommen.
Der Prinz. Desto schlimmer--besser, wollt' ich sagen. So braucht der Läufer um so weniger zu
warten. (Der Kammerdiener geht ab.) Meine teure Gräfin! (Bitter, indem er den Brief in die Hand
nimmt) So gut, als gelesen! (und ihn wieder wegwirft.)--Nun ja; ich habe sie zu lieben geglaubt!
Was glaubt man nicht alles? Kann sein, ich habe sie auch wirklich geliebt. Aber--ich habe!
Der Kammerdiener (der nochmals hereintritt). Der Maler Conti will die Gnade haben-Der Prinz.
Conti? Recht wohl; laßt ihn hereinkommen. --Das wird mir andere Gedanken in den Kopf bringen.
(Steht auf.)
Zweiter Auftritt
Conti. Der Prinz.
Der Prinz. Guten Morgen, Conti. Wie leben Sie? Was macht die Kunst?
Conti. Prinz, die Kunst geht nach Brot.
Der Prinz. Das muß sie nicht; das soll sie nicht--in meinem kleinen Gebiete gewiß nicht.--Aber der
Künstler muß auch arbeiten wollen.
Conti. Arbeiten? Das ist seine Lust. Nur zu viel arbeiten müssen kann ihn um den Namen Künstler
bringen.
Der Prinz. Ich meine nicht vieles, sondern viel; ein weniges, aber mit Fleiß.--Sie kommen doch
nicht leer, Conti?
Conti. Ich bringe das Porträt, welches Sie mir befohlen haben, gnädiger Herr. Und bringe noch
eines, welches Sie mir nicht befohlen: aber weil es gesehen zu werden verdient--Der Prinz. Jenes
ist?--Kann ich mich doch kaum erinnern--Conti. Die Gräfin Orsina.
Der Prinz. Wahr!--Der Auftrag ist nur ein wenig von lange her.
Conti. Unsere schönen Damen sind nicht alle Tage zum Malen. Die Gräfin hat, seit drei Monaten,
gerade einmal sich entschließen können zu sitzen.
Der Prinz. Wo sind die Stücke?
Conti. In dem Vorzimmer, ich hole sie.
Dritter Auftritt
Der Prinz. Ihr Bild!--mag!--Ihr Bild, ist sie doch nicht selber.--Und vielleicht find ich in dem Bilde
wieder, was ich in der Person nicht mehr erblicke.--Ich will es aber nicht wiederfinden.--Der
beschwerliche Maler! Ich glaube gar, sie hat ihn bestochen.--Wär' es auch! Wenn ihr ein anderes
Bild, das mit andern Farben, auf einen andern Grund gemalet ist--in meinem Herzen wieder Platz
machen will: --Wahrlich, ich glaube, ich wär' es zufrieden. Als ich dort liebte, war ich immer so
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leicht, so fröhlich, so ausgelassen.--Nun bin ich von allem das Gegenteil.--Doch nein; nein, nein!
Behäglicher oder nicht behäglicher: ich bin so besser.
Vierter Auftritt
Der Prinz. Conti mit den Gemälden, wovon er das eine verwandt gegen einen Stuhl lehnet.
Conti (indem er das andere zurechtstellet). Ich bitte, Prinz, daß Sie die Schranken unserer Kunst
erwägen wollen. Vieles von dem Anzüglichsten der Schönheit liegt ganz außer den Grenzen derselben.
--Treten Sie so!--Der Prinz (nach einer kurzen Betrachtung). Vortrefflich, Conti--ganz vortrefflich!--
Das gilt Ihrer Kunst, Ihrem Pinsel.--Aber geschmeichelt, Conti; ganz unendlich geschmeichelt!
Conti. Das Original schien dieser Meinung nicht zu sein. Auch ist es in der Tat nicht mehr
geschmeichelt, als die Kunst schmeicheln muß. Die Kunst muß malen, wie sich die plastische Natur--
wenn es eine gibt--das Bild dachte: ohne den Abfall, welchen der widerstrebende Stoff
unvermeidlich macht; ohne den Verderb, mit welchem die Zeit dagegen ankämpfet.
Der Prinz. Der denkende Künstler ist noch eins soviel wert.--Aber das Original, sagen Sie, fand
demungeachtet--Conti. Verzeihen Sie, Prinz. Das Original ist eine Person, die meine Ehrerbietung
fodert. Ich habe nichts Nachteiliges von ihr äußern wollen.
Der Prinz. Soviel als Ihnen beliebt!--Und was sagte das Original?
Conti. Ich bin zufrieden, sagte die Gräfin, wenn ich nicht häßlicher aussehe.
Der Prinz. Nicht häßlicher?--O das wahre Original!
Conti. Und mit einer Miene sagte sie das--von der freilich dieses ihr Bild keine Spur, keinen
Verdacht zeiget.
Der Prinz. Das meint' ich ja; das ist es eben, worin ich die unendliche Schmeichelei finde.--Oh!
ich kenne sie, jene stolze, höhnische Miene, die auch das Gesicht einer Grazie entstellen würde! --
Ich leugne nicht, daß ein schöner Mund, der sich ein wenig spöttisch verziehet, nicht selten um so viel
schöner ist. Aber, wohl gemerkt, ein wenig: die Verziehung muß nicht bis zur Grimasse gehen, wie
bei dieser Gräfin. Und Augen müssen über den wollüstigen Spötter die Aufsicht führen--Augen, wie sie die
gute Gräfin nun gerade gar nicht hat. Auch nicht einmal hier im Bilde hat.
Conti. Gnädiger Herr, ich bin äußerst betroffen--Der Prinz. Und worüber? Alles, was die Kunst aus
den großen, hervorragenden, stieren, starren Medusenaugen der Gräfin Gutes machen kann, das
haben Sie, Conti, redlich daraus gemacht.--Redlich, sag ich?--Nicht so redlich, wäre redlicher. Denn
sagen Sie selbst, Conti, läßt sich aus diesem Bilde wohl der Charakter der Person schließen? Und das
sollte doch. Stolz haben Sie in Würde, Hohn in Lächeln, Ansatz zu trübsinniger Schwärmerei in sanfte
Schwermut verwandelt.
Conti (etwas ärgerlich). Ah, mein Prinz--wir Maler rechnen darauf, daß das fertige Bild den
Liebhaber noch ebenso warm findet, als warm er es bestellte. Wir malen mit Augen der Liebe: und
Augen der Liebe müßten uns auch nur beurteilen.
Der Prinz. Je nun, Conti--warum kamen Sie nicht einen Monat früher damit?--Setzen Sie weg.--
Was ist das andere Stück?
Conti (indem er es holt und noch verkehrt in der Hand hält). Auch ein weibliches Porträt.
Der Prinz. So möcht' ich es bald--lieber gar nicht sehen. Denn dem Ideal hier (mit dem Finger auf
die Stirne)--oder vielmehr hier (mit dem Finger auf das Herz) kömmt es doch nicht bei.--Ich
wünschte, Conti, Ihre Kunst in andern Vorwürfen zu bewundern.
Conti. Eine bewundernswürdigere Kunst gibt es, aber sicherlich keinen bewundernswürdigern
Gegenstand als diesen.
Der Prinz. So wett ich, Conti, daß es des Künstlers eigene Gebieterin ist.--(Indem der Maler das
Bild umwendet.) Was seh ich? Ihr Werk, Conti? oder das Werk meiner Phantasie?--Emilia Galotti!
Conti. Wie, mein Prinz? Sie kennen diesen Engel?
Der Prinz (indem er sich zu fassen sucht, aber ohne ein Auge von dem Bilde zu verwenden). So
halb!--um sie eben wiederzukennen.--Es ist einige Wochen her, als ich sie mit ihrer Mutter in einer
Vegghia traf. --Nachher ist sie mir nur an heiligen Stätten wieder vorgekommen--wo das Angaffen
sich weniger ziemet.--Auch kenn ich ihren Vater. Er ist mein Freund nicht. Er war es, der sich
meinen Ansprüchen auf Sabionetta am meisten widersetzte.--Ein alter Degen, stolz und rauh, sonst
bieder und gut!-Conti. Der Vater! Aber hier haben wir seine Tochter.
Der Prinz. Bei Gott! wie aus dem Spiegel gestohlen! (Noch immer die Augen auf das Bild
geheftet.) Oh, Sie wissen es ja wohl, Conti, daß man den Künstler dann erst recht lobt, wenn man
über sein Werk sein Lob vergißt.
Conti. Gleichwohl hat mich dieses noch sehr unzufrieden mit mir gelassen.--Und doch bin ich
wiederum sehr zufrieden mit meiner Unzufriedenheit mit mir selbst.--Ha! daß wir nicht unmittelbar
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